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Zeugen des Konzils: Gerhard Gruber, Sekretär von Kardinal Döpfner (Teil 3)

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Letzter Teil des Interviews

Herr Gruber, Wie stark schätzen Sie den Einfluss der deutschen Theologie auf das Konzil ein?

 

Die deutsche Theologie hat schon sehr bestimmend mitgewirkt auf dem Konzil. Die Kirchenkonstitution wurde ja von Grund auf umgearbeitet – und der Grundgedanke von der Kirche als „Volk Gottes“ darin, der stammt von Rahner und von Ratzinger. Ratzinger hatte ja seine erste theologische Arbeit, diese Preisarbeit an der Universität München, über Haus und Volk Gottes bei Augustinus gemacht.

 

Haben Sie das Medienecho als realistischen Spiegel der Konzilsereignisse wahrgenommen?

 

Wenn ich zurückkam nach Deutschland von den Konzilssitzungen, haben die Leute erzählt, was sie im Radio gehört hatten, Fernsehen war ja noch nicht so verbreitet. Da hörte ich natürlich immer sofort den Namen Pater Mario von Galli. Seine Konzilskommentare waren sehr originell, so hörte ich, aber auch sehr treffend. Und die Leute waren damit sehr gut informiert. Studenten lasen die Briefe vom Konzil, vom damaligen Prof. Ratzinger. Die Münchner Kirchenzeitung berichtete natürlich. Sandfuchs im Bayrischen Rundfunk. Und Kardinal Döpfner hat dann selber im Münchner Dom Predigten gehalten bei Gottesdiensten über die Konzilsergebnisse. Und er fuhr nach jeder Konzilsperiode zu den Theologen ins Priesterseminar und hat ihnen selbst ausführlich berichtet.

 

Hat man die Journalisten vor Ort stark bemerkt oder haben die sich eher im Hintergrund gehalten?

 

In der Ersten Konzilsperiode waren die Journalisten ja noch vom Konzil ausgeschlossen. Ich weiß nicht, in wieweit sie bei den späteren Perioden auch direkt dabei waren, aber es gab ja das Presseamt, das für das Konzil berichtet hat. Für die deutschsprachigen Journalisten hat damals der Jesuitenpater Hirschmann berichtet. Eine kleine Anekdote dazu, falls das die Hörer interessiert: Nachdem „Veterum Sapientia“ bekannt wurde, soll Hirschmann das kommentiert haben. Die Journalisten haben ihn gefragt, wie es möglich ist, dass dieselben Leute, die in der Kommission für die Liturgiereform sitzen, dafür plädieren oder zumindest wissen, dass die Muttersprache auch in der Liturgie kommen soll – und bei der Vorbereitung von Veterum Sapientia so tun mussten, als ob nur Latein bleibt. Hier soll Hirschmann geantwortet haben: Die stehen alle unter dem strengsten Geheimnis, das es gibt, unter dem „secretum pontificium“, das ist noch strenger als das Beichtgeheimnis. Da können sie als Mitglieder der einen Kommission nicht wissen, was sie als Mitglieder der anderen Kommission wissen. Und dabei soll er mit den Nasenflügeln etwas gewackelt haben. Er war ja ein Schlitzohr.

 

Was lässt sich rückblickend als der Meilenstein des Konzils ausmachen?

 

Inhaltlich, meine ich, ist das zentrale Thema des Konzils das erweiterte und vertiefte Kirchenverständnis: die Kirche als Volk Gottes, zu dem alle Menschen berufen sind. Berufung durch Gott bedeutet ja immer eine Wirklichkeit, nicht nur eine Möglichkeit. Irgendwie heißt das, dass alle Menschen von Gott berührt sind, schon in Gottes Hand stehen. Und das wird nun sichtbar gemacht durch die Kirche, die als Sakrament, als Heilssakrament schlechthin für die Menschheit dargestellt wird im Konzil. Sakrament, das heißt Zeichen für etwas, was in sich selber nicht sichtbar ist. Diese Berufung aller Menschen zu Gott. Und das wird auch konkretisiert, indem dieses Konzil, und das ist ein Spezifikum dieses Konzils, sich zum ersten Mal positiv auch für die anderen Christen interessiert, dass es anerkennt, dass auch die anderen Christen Wahrheit haben, dass auch sie durch die Taufe zur Kirche gehören oder ihr zumindest besonders zugeordnet sind. Dass aber auch die anderen nichtchristlichen Gläubigen schon Elemente der Wahrheit haben und diesem Volk Gottes zugeordnet sind. Besonders auch die Juden und selbst auch die Ungläubigen. Das glaube ich, ist die große Linie des Konzils und das ist auch wirklich ein Meilenstein in der Konzilsgeschichte.

 

Sind Sie der Ansicht, der Konzilsgedanke wurde in den Folgejahren adäquat in die nationalen Kirchen, besonders auch nach Deutschland, vermittelt und übersetzt?

 

Also adäquat – das heißt, schon in gewissem Sinn vollständig und abgeschlossen – kann man sicher nicht sagen. Ich würde eher sagen, es wurde zu Teilen übersetzt. Und es ist ein Prozess, wie auch in den früheren Konzilien. Die Konzilien haben ja nie den Abschluss der Kirchengeschichte oder einer Periode der Kirchengeschichte dargestellt, sondern meistens wieder einen neuen Prozess eingeleitet. Im Altertum kamen dann relativ bald wieder andere Konzilien, die die Schwerpunkte wieder etwas anders gesetzt haben. Und in so einem Prozess sind wir heute mittendrin. In einem Prozess der Gemeinschaft, das heißt, es ist ein Lebensvorgang mit dem Gesetz „Stirb und werde“, werde und stirb. Es ist also kein gradliniger Prozess, da gibt es Schwankungen, mal sehr starke Bewegungen zur einen Seite, dann wieder zur anderen Seite. Es muss sich sozusagen im Leben erst konkretisieren und herausstellen, wie das, was hier in Buchstaben steht, lebendig werden kann. Man muss ja auch bedenken, dass für den Konzilsbuchstaben das Gleiche gilt, wie für das Wort der Heiligen Schrift, wie Paulus sagt: „Der Buchstabe tötet, der Geist ist es, der lebendig macht.“ Und die Konzilstexte in dem Geist lesen, in dem sie niedergeschrieben wurden, das glaube ich, ist Aufgabe, immer noch!

 

Haben wir uns als Kirche in den vergangenen 50 Jahren auf den Konzilsgedanken zubewegt – oder wieder weiter von ihm entfernt?

 

Die Frage ist eigentlich nicht mit ja oder nein zu beantworten. Wenn wir auf die Kirche heute sehen, dann gibt es starke, ja zum Teil stark entgegengesetzte Strömungen. Und die einen Strömungen haben sich dem Konzil angenähert oder wollen das ganz bewusst. Andere haben, so scheint es, etwas Sorge bekommen, denn alle positiven Ereignisse haben auch ihre negative Seite. Und auch ein Konzil kann missdeutet, missbraucht und vor allem in Beschlag genommen werden für eine einzelne Richtung.

Genau das war und wollte das Konzil aber gerade nicht. Es wollte immer die Einheit. Das Gebet Jesu, damit alle eins seien, soll Wirklichkeit werden, nicht nur im glaubenden Herzen der Menschen, sondern auch in der Verkündigung des Wortes Gottes, in einer einheitlichen und verständlichen Sprache. Aber es stellt sich heraus, dass diese Einheit nicht einfach hergestellt werden kann mit Logik, mit Definitionen, mit gegenständlichen Sätzen, sondern es braucht dazu die innere Einstellung, die Liebe. Und da hat unser jetziger Papst mit seiner Enzyklika „Gott ist die Liebe“ eigentlich eine Wegweisung gegeben, die leider noch, habe ich den Eindruck, viel zu wenig beachtet wird. Von diesem Weg, auf dem wir Gott, der die Liebe ist, annehmen – und von seinen Geist, den er uns schenkt und der immer alle umfasst, der keinem ganz geschenkt ist, an dem jeder einen Anteil hat. Aber jeder hat einen Anteil, also muss ich auch immer die anderen Stimmen in einem ehrlichen Dialog auf Augenhöhe wahrnehmen. In diesem Prozess sind wir drin, und da gibt es Annäherungen und auch Entfernungen.

 

Was war für Sie persönlich das prägendste Erlebnis auf dem Konzil?

 

Ich möchte sagen, das prägnanteste und mich am meisten bewegende Ereignis war der Abend am ersten Konzilstag, bei der Eröffnung am 11. Oktober 1962, als es schon dämmerte. Es war ein milder Oktober-Abend in Rom, in Rom gibt es ja noch sehr schöne milde Herbstabende. Der Mond stand am Himmel über der Peterskirche. Auch der Petersdom war erleuchtet mit Scheinwerfern, der Petersplatz war voll mit Menschen, ein Fackelzug von der italienischen katholischen Arbeiterbewegung zog über den Petersplatz, Papst Johannes stand an dem berühmten Fenster im Papstpalast, das Fenster war erleuchtet, und er hält eine spontane Ansprache: „Heute ist ein neues Licht aufgestrahlt. Von heute an leuchtet das Licht des Konzils über der Welt. Seht, auch der Mond freut sich heute und wenn ihr jetzt nach Hause kommt, dann lasst es auch eure Kinder wissen – fate loro una carità – macht ihnen eine kleine Freude.“ Ich erinnere mich noch, als Student in Rom im Talar bin ich oft von Kindern angesprochen worden: „Padre, fammi una carità!“ Eine Caritas machen, also einen kleinen Liebesdienst machen – damit ist gemeint, ein Bonbon zu schenken. Der Papst sagte also: Macht euren Kindern noch eine kleine Freude, denn das Licht des Konzils leuchtet heute über die Welt. Das war für mich eigentlich das bewegendste Ereignis vom ganzen Konzil.

Und insgesamt, dass das Konzil überhaupt stattgefunden hat. Und dass es so stattgefunden hat, wie es stattgefunden hat. Das war für mich eine Erinnerung an das Pfingstfest der Bibel, an das Pfingstfest der Apostelgeschichte. Alle sind vereint im Glauben, im tiefen Bewusstsein, vom Heiligen Geist geführt zu sein, von seiner Gegenwart, die uns leitet. Und es wird etwas Gutes dabei herauskommen, auch wenn die Menschen verschieden sind, auch wenn jeder nur einen Anteil hat und nur einen Teilbeitrag leisten kann.

 

Was wünschen Sie sich für die Feiern zum Konzilsjubiläum dieses Jahr?

 

Eigentlich nur das Eine, dass alle Gremien und Räte und Diözesanräte, auch die Bischofskonferenzen, und auch die Räte, dass all diese Gremien sich von diesem Geist begeistern lassen und dann so die Gegensätze, die da sind, nicht verdrängen, nicht verschweigen, sondern angehen! Aber positiv, eben in dem Bewusstsein, dass jeder, auch die entgegengesetzten Positionen, etwas beitragen kann, weil alle Anteil an diesem Geist haben und so die Gegensätze positiv und konstruktiv überwunden werden können. Damit könnte, so glaube ich, auch der von der Deutschen Bischofskonferenz initiierte Dialog-Prozess eine Bewegung werden, wenn sie diese Kraftwelle vom Konzil her bewusst und intensiv aufgreifen würde.

 

Die Fragen stellte Veronica Pohl


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